Nach 160 JAHREN Im fünften Anlauf geschafft: TECHNISCHE UNIVERSITÄT NÜRNBERG

Am Anfang der Polytechnischen Schulen, die alle zu Technischen Universitäten wurden, stand die „Egalité“ der Französischen Revolution. Gleiche Chancen für die fleißigen und lernwilligen Kinder aller Bürger*innen sollte die École Polytechnique bringen, die 1894 in Paris als erste ihrer Art gegründet wurde. Nach Prag 1806 und Wien 1815 wurde in Nürnberg im Jahr 1823 die vierte Polytechnische Schule (PTS) in Europa gegründet.

Das neue Konzept der Polytechnik als Konzentration auf die Technik und ihre Anwendung und den qualifizierten Zugang über entsprechende Vorkurse für jedermann überzeugte verantwortliche Nürnberger Bürger*innen von der Gründung der ersten städtischen Einrichtung dieser Art. Sie wurde 1833 vom Königreich Bayern übernommen. Die PTS war dann auch wesentlich für die Entwicklung der ersten deutschen Eisenbahn verantwortlich. Johannes Scharrer und Goerg Simon Ohm leiteten die PTS.

Der erste Versuch der Stadt Nürnberg 1857 (Anlage 1), aus der PTS eine Technische Hochschule zu machen, wurde von König Maximilian II. wohlwollend zur Kenntnis genommen, von Ludwig II. aber nicht nur abgelehnt, sondern von der dreijährigen Polytechnischen Schule zur zweijährigen Industrieschule herabgestuft. Die Münchner PTS wurde zur „Höheren Polytechnischen Schule“, später zur „Technischen Hochschule“ heraufgestuft.

Den zweiten Versuch unternahm der aus Franken stammende Kgl. Bayr. Kultusminister Robert von Landmann 1902 mit einer Landtagsvorlage (siehe Anlage 2), die aber am Widerstand von Würzburg, Bamberg und Augsburg scheiterte.

Der dritte Versuch wurde 1921 im Zusammenhang mit der Gründung der Handelshochschule – später WISO – unternommen. Das Ansinnen auf Technische Lehrstühle wurde vom Ministerium in München abgelehnt.

Der vierte Versuch Nürnbergs begann mit Gesprächen von SPD-Oberbürgermeister Otto Bärnreuther mit der Regierung Wilhelm Högner (SPD) 1957. Die Denkschrift von 1961 (Anlage 3) fand unter den geänderten Bedingungen keine Akzeptanz. Die Forderungen der (Gegen)-Denkschrift der Uni Erlangen nach einer Technischen Fakultät wurde vom Freistaat Bayern dagegen realisiert.

Im fünften Anlauf beschloss der Bayerische Landtag im Dezember 2020 die Errichtung der Technischen Universität Nürnberg nach einem mit dem Deutschen Wissenschaftsrat abgestimmten Konzept als neueste deutsche Universitätsgründung. Das stellt Nürnberg mit seinem sozialen und demokratischen Ansatz vor eine große Herausforderung.

Die soziale und demokratische Handschrift der Stadt Nürnberg – Aufstiegsmöglichkeiten für alle eröffnen

Mit einer Reihe von weiterbildenden Schulen schuf die SPD-regierte Stadt Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg die Voraussetzung für den Zweiten Bildungsweg. Nach Volksschule und Lehre bot die „Berufsoberschule – BO“ die Möglichkeit über die „Vorkurse zu den Bayerischen Ingenieurschulen“ am Ohm-Polytechni- kum, zu studieren und den Ingenieur zu machen. Über die BO kam man auch zum Techniker oder Meister. Heute gibt es eine Vielzahl dieser Schulen. Dass alle Schichten Zugang zum Ohm (heute Technische Hochschule Nürnberg) fanden, zeigt die Zahl von 40 Prozent „Erststudenten“, d. h. die Ersten in ihrer Familie, die studieren! Der Zweite Bildungsweg, die „Ochsentour“, endet jedoch für die meisten auf der Ebene Ingenieur*in oder Betriebswirt*in, heute Bachelor oder evtl. Master, fest eingebunden in ihrer jeweiligen Arbeitsstätte, obwohl eine Reihe von ihnen durchaus an einem akademischen Aufstieg interessiert wäre.

Eigenschaften und Chancen der TUN – neue Möglichkeiten?

Diese Besonderheiten zeichnen die neue TUN nach dem im Dezember 2020 beschlossenen „TU Nürnberg-Gesetz – TNG“ aus:

Die relative Unabhängigkeit der Uni und des Gründungspräsidiums, die geplante Digitalität (dezentral studieren?), die geplante Internationalität (50 Prozent englischsprachige Lehrveranstaltungen), die verbindliche Einbeziehung der Geistes- und Sozialwissenschaften („systemische Lösungen für globale gesellschaftliche Herausforderungen“), die Organisation in sechs vernetzte Departements und Aktionsfelder und, besonders wichtig, die Experimentierklausel, die berechtigt, neue Wege zu beschreiten.

An diesen Punkten gilt es, Einfluss zu nehmen, Verbindungen herzustellen, regional zu vernetzen, z. B. auch mit der BA / dem IAB, dem BAMF, der Messe, dem Zukunftsmuseum u.a. Der Anspruch Nürnbergs muss klar herausgestellt werden: Das ist unsere Universität. Dass der Zweite Bildungsweg trotz Beruf nicht zu Ende sein muss, wäre eine soziale und demokratische Aufgabe. Die Aufgabe TUN beginnt erst und ist formbar.

Siehe dazu auch